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(c) 2004 Oliver Bonten
Siem Reap (30.10.2003-05.11.2003)
Angkor
Die Bootsfahrt nach Siem Reap kostet offiziell 25,00 US$ (21,79 €), ich habe das Ticket für 20,00 US$ (17,43 €) von einem Anbieter bekommen, der auch noch die Fahrt vom Bootsanleger zu einem Hotel in Siem Reap (das sind immerhin 12km) dazugegeben hat. In Siem Reap hat sich herausgestellt, dass der Ticketverkäufer dem Taxifahrer erzählt hat, ich würde ihn auch als Fahrer in Siem Reap mieten, und für den Transport zum Hotel nichts bekommen hat. Er hat mich mit einem Motorrad mit Anhänger abgeholt, diese Dinger nennen sie in Siem Reap "Tuk-Tuk", haben aber nichts mit den echten Thai Tuk-Tuks zu tun. Einen Fahrer zu mieten hatte ich allerdings von vornherein nur für einen Tag vor.
Die Bootsfahrt war auf jeden Fall angenehm, wenn auch ein wenig lang. Das Be- und Entladen des Bootes war ein bißchen chaotisch, weil auf einer schmalen Bordwand des Bootes ohne Reling ständig Leute ohne Gepäck nach hinten und gleichzeitig Leute mit Taschen oder Rucksäcken nach vorne liefen, so dass ich die ganze Zeit darauf wartete, dass jemand ins Wasser fiel. Ist aber nicht passiert. Das Boot war natürlich wieder von der Bauart "Malaysisches Flußboot" und dementsprechend überklimatisiert, was mir aber immer noch lieber war als vier Stunden auf dem Dach in der Sonne zu sitzen. Auf der Fahrt habe ich mich lange mit einer außergewöhnlich gut aussehenden Kambodschanerin unterhalten, die in Phnom Penh in einem Luxushotel als Friseuse arbeitet (was dort ein vergleichsweise hoch bezahlter Job ist, weil er u.a. erfordert, dass sie fließend englisch und französisch spricht, und vermutlich auch Trinkgelder gegeben werden) und davon träumt, ihren eigenen Salon zu betreiben. Vermutlich wird ihre Generation aber noch ihr ganzes Leben in Armut verbringen. Sie hat mir auch erzählt, dass sie in Thailand ausgebildet wurde (vermutlich ist Haare schneiden für Kambodscha noch zu kompliziert), und dass die Thai ziemlich auf Kambodschaner herabsehen.
Siem Reap ist eigentlich ein unbedeutendes kleines Provinznest, das
lange Zeit Teil der Provinz Battambang war und mit dieser bis 1907
zu Siam gehörte - erst die Franzosen haben die Thai zur nicht
ganz freiwilligen Herausgabe der Provinz überredet. Ein paar
Kilometer nördlich von Siem Reap liegen die weltberühmten
Ruinen der alten Hauptstadt Angkor, weswegen Siem Reap inzwischen
erheblich gewachsen ist; dort befindet sich unter anderem der
zweite internationale Flughafen des Landes. Bangkok Airways (das
sind die, denen auch der Flughafen auf Ko Samui gehört, weswegen
sie die einzige Airline sind, die dort hinfliegt) hatte das
touristische Potential von Siem Reap bereits sehr früh entdeckt,
strategisch investiert, und in dem Moment, in dem in Kambodscha
ernsthaft zu schießen aufgehört wurde (und die Minen aus den
wichtigsten Stätten von Angkor entfernt waren), Flüge von
Bangkok nach Siem Reap aufgenommen. In den ersten Jahren waren sie
die einzigen, die das gemacht haben, weswegen es auch entsprechend
teuer war. Damals war Siem Reap auch schwer anders zu erreichen.
Siem Reap liegt keine 100km von der Grenze zu Thailand entfernt,
die Straße ist aber trotz ständiger Baumaßnahmen noch
immer in einem fürchterlichen Zustand, und dasselbe gilt für
die Verbindung zwischen Siem Reap und Phnom Penh. Erst in ein paar
Jahren werden die Straßen komplett erneuert sein.
In Kambodscha hat man oft das Gefühl, dass Angkor der einzige Gegenstand des Nationalstolzes ist. So ziert ein Bild des bekanntesten Tempels, Angkor Wat, die Flagge. Man trinkt entweder Angkor (wenn man es sich leisten kann - das Bier wird in australischer Lizenz gebraut und ist nicht schlecht) oder Bayon (wenn man sich Angkor nicht leisten kann). Man raucht Angkor oder Apsara (oder gar nicht, was für Kambodschaner aber keine Alternative zu sein scheint). Man nächtigt im Hotel Angkor, Apsara oder Bayon. Und so weiter.
Angkor macht eher den Eindruck einer zu groß geratenen Sammlung von Häusern als den einer Stadt. Es ist relativ dünn bebaut, überall ist noch Platz zwischen den Häusern, es sind Baulücken oder große Vor- und Hinterhöfe. Insbesondere für asiatische Verhältnisse ist das eine sehr aufgelockerte Bebauung: anderenorts folgt man ja meist dem chinesischen Reihenhaus-Ideal, bei dem die Häuser auch fast Rücken an Rücken gebaut werden, mit vielleicht einem Meter Abstand.
Beim ersten Spaziergang durch Siem Reap habe ich auf dem Markt nach kurzer Suche einen unwahrscheinlichen und gar wunderlichen Gegenstand gefunden: einen Hut von der Stange, der mir einigermaßen paßt. Ich hatte mir nämlich gedacht, dass es sicher nicht schlau sei, mit unbedecktem Kopf tagelang bei tropischem Sonnenschein durch die Ruinen zu laufen, und wollte eigentlich den am wenigsten zwickenden Hut nehmen, um ihn zumindest sporadisch aufzusetzen. Dass ich einen Hut finden würde, der wirklich paßt, habe ich nicht erwartet. Nach dem ersten Waschen (in Vietnam) ist er allerdings ein wenig eingelaufen, aber immer noch einigermaßen zu tragen. Außerdem rosten die Nieten, und der Rost läuft beim Waschen aus. Der Hut hat stolze 2,00 US$ (1,74 €) gekostet, ohne zu verhandeln (weil ich so verblüfft war - 1,00 US$ (0,87 €) wäre sicher drin gewesen). Er ist wirklich schön (aber inzwischen dreckig, und die Krempe fängt an, weich zu werden). Mein Hut, der hat 0 Ecken, 0 Ecken hat mein Hut. Und hätt' er nicht 0 Ecken, so wär's auch nicht mein Hut.
Für die nächsten drei Tage habe ich mir ein Fahrrad gemietet, um die naheliegenden Ruinen zu erkunden. Siehe Kleine Rundtour, Angkor Wat und Große Rundtour. Zum Besuch der weiter entfernten Stätten Roluos und Banteay Srey mußte ich dann doch auf die Dienste des Tuk-Tuk-Fahrers zurückgreifen, der bezeichnenderweise "Mr. Cheat" hieß, obwohl er sehr faire Preise gemacht hat. Bei dem Namen bleibt ihm wohl nichts anderes übrig - Kombinationen mit "ea" sind in Khmer sehr beliebt.
Am Samstag abend (übrigens der 81. Geburtstag des Königs,
Norodom Sihanouk) gibt es in Siem Reap kostenlose Musikdarbietungen
von "Beatocello". Das
ist der Schweizer Kinderarzt Dr. Beat Richner, der in Kambodscha
mit Spendengeldern drei moderne Kinderkrankenhäuser aufgebaut
hat und mit diesen Konzerten um weitere Spenden ("Blut oder Geld")
wirbt. Das Krankenhaus in Siem Reap steht direkt an der Straße
zu Angkor Wat. Neben dem Krankenhaus steht eine aktuelle Tafel:
"Wegen Dengue-Epidemie dringend gesucht: Blutgruppe B und AB."
Interessanter als die Musik sind aber eigentlich die Geschichten,
die er über kambodschanische Geschichte und Medizin erzählt.
So sagt er z.B., dass die Vietnamesen, als sie die roten Khmer
vertrieben haben, noch 53 lebende Ärzte in Kambodscha gefunden
haben - für ein Volk von ca. 10 Millionen. Die Amerikaner kommen
bei ihm auch nicht gut weg - nach seinen Erzählungen waren
während des Vietnamkrieges die Bombardierungen der Teile des Ho
Chi Minh-Pfades, die durch Kambodscha verliefen (die sogenannten
"secret bombings", die erst Ende des letzten Jahrzehnts offizieller
Teil der Geschichtsschreibung wurden), Auslöser einer
Tuberkulose-Epidemie, die bis heute anhält. Er sagt, dass mehr
als 40% der Fälle in seinen Krankenhäusern Tuberkulose
sind.
Seine Erfolgsgeschichten, mit denen er Werbung für Spenden macht, werfen aber auch wieder einige Fragen auf. Da ist z.B. der Fall einer Familie, die nicht einmal das Geld hat, ins Krankenhaus zu fahren, weil der Vater so schwer krank ist, dass er nicht mehr im Reisfeld arbeiten kann. Ich frage mich, ob es dann nicht wichtiger wäre, die zweifellos begrenzten Ressourcen dafür aufzuwenden, den Mann wieder auf die Beine zu stellen, so dass die Familie sich vielleicht auch "normale" kostenpflichtige Ärzte leisten kann und nebenbei ein bißchen besser ernährt ist.
Trotzdem ist seine Initiative mMn. unbedingt unterstützenswert, auch, weil sie Standards setzt und zeigt, dass man sich in der dritten Welt nicht mit halben Sachen zufrieden geben muß. Nach seinen Aussagen gibt es in seinen Kliniken keinen Schlendrian, keine Korruption, und sehr hohe Erfolgsraten, gerade weil er nicht versucht, mit niedrigeren dritte-Welt-Standards zu arbeiten.
Am Dienstag habe ich mir noch einmal ein Fahrrad gemietet.
Etwas außerhalb von Siem Reap gibt es ein kleines privates
Museum, das Minenmuseum.
Betrieben wird es von einem Kambodschaner, der zunächst nach der
Ermordung seiner Eltern als Kindersoldat für die roten Khmer und
später für die Vietnamesen arbeiten mußte und dabei das
Handwerk des Minenlegens gelernt hat. Inzwischen arbeitet er
freiberuflich als Minenräumer, weil es so viele Bauern gibt, die
auf ihren Äckern Minen entdecken, dass die offiziellen
Minenräumtrupps mit dem Beseitigen nicht nachkommen - sie
arbeiten nach Plänen, die Verkehrskorridoren Vorrang geben und
die restlichen Regionen nach einem Plan, der keine Region
bevorzugen soll, abarbeiten. Das private Minenräumen ist nicht
verboten, aber auch nicht unbedingt erwünscht. Der private
Minenräumer hat kein professionelles Gerät, sondern stochert
mit Holzstöcken nach Minen. Die entschärften Minen stellt er
dann in seinem Museum aus, er hat eine beeindruckende Sammlung der
verschiedensten Exemplare. Darunter gibt es Panzerminen ("eine
Person kann darauftreten, ohne die Mine auszulösen, es sei denn,
die Person ist stark übergewichtig"), die erst bei einer
Belastung von 400kg auslösen, und die "one leg" und "two
leg"-Minen, die so konstruiert sind, dass sie ihre Opfer nur
verstümmeln, indem sie einen bzw. beide Füße wegsprengen,
und nicht töten, in der (im Falle Kambodschas irrigen) Annahme,
dass ein Verwundeter mehr Ressourcen in der Armee des Gegners
bindet als ein Toter. Das funktioniert natürlich nur bei
zivilisierten Kriegsparteien. Zu vielen der ausgestellten Stücke
hat er auch Geschichten geschrieben, so z.B. wollten sie Bären
töten mit Minen, die durch Stolperdrähte ausgelöst werden,
die Bären waren aber so schlau, über die Drähte zu
steigen. Die Affen hingegen haben mit den Drähten gespielt ...
Beliebt war es auch, wenn eine Stellung fluchtartig verlassen
werden mußte, dort Trick-Zigaretten zurückzulassen, die, halb
abgeraucht, den Raucher erschossen haben. Ich dachte immer, so
etwas gäbe es nur in schlechten Agentenfilmen. Und natürlich,
wenn man gerade Essen kochte, während der Feind anrückte,
dann hat man es vor der Flucht vergiftet. Im Garten hat er ein
kleines Minenfeld mit entschärften Minen aufgebaut, hier kann
man versuchen, durchzulaufen, ohne auf etwas zu treten (allerdings
passiert auch nix, wenn man irgendwo drauftritt). Der Betreiber
schreibt, er hat auch ein paar Minen gebastelt, die nur sehr viel
Lärm machen, ohne physische Schäden anzurichten. Damit
schützt er sich vor Dieben. Gegen den größten Dieb hilft
das allerdings nichts: die Regierung möchte seine Sammlung
beschlagnahmen und "zufällig" in der Nähe ein ähnlich
geartetes offizielles Museum aufbauen. Dabei macht mMn. die
Tatsache, dass das Minenmuseum privat betrieben wird, einen
besonderen Reiz aus, denn es demonstriert, dass die Kambodschaner
selber, und nicht nur die Regierung, bereit sind, sich mit der
Vergangenheit auseinanderzusetzen und sich für eine bessere
Zukunft einzusetzen. In Asien trifft man diese Art der
Eigeninitiative selten.
Nach dem Minenmuseum bin ich noch einmal nach Angkor Thom zur Elefantenterasse gefahren, weil morgens die Sonne von der richtigen Seite draufscheint und man mehr Details erkennt. Danach habe ich das westliche Baray gesucht, einen ca. 8km mal 2,5km großen künstlichen See, der vor ca. 800 Jahren ausgeschachtet wurde. Der See ist beeindruckend groß. (Das nur unwesentlich kleinere östliche Baray ist inzwischen ausgetrocknet.) Leider habe ich ihn vor lauter Dreckstraßen und mangels Wegweisern nicht gefunden - nur einmal war ich auf dem richtigen Weg, die Straße verwandelte sich dann aber in einen Sumpf. Mit dem Fahrrad macht es auch nicht wirklich Spaß, auf den Dreckstraßen herumzufahren.
Auf der Straße zwischen Flughafen und Angkor Wat (dort gibt es eine weitere Ticketbude, bei der man nur Tagesausweise kaufen kann - das ist wohl für die ganz besonders eiligen Besucher), ca. 1km vom Westtor des Tempels entfernt, ist inzwischen ein alter französischer Fesselballon aufgebaut, mit dem man für 10,00 US$ (8,71 €) fahren kann. Das lohnt sich auf jeden Fall. Man sieht den Ballon auch von Angkor Wat und Phnom Bakheng aus immer wieder wie eine zweite Sonne gelb am Himmel aufgehen. Die Ballonfahrt dauert ca. 10 Minuten (ohne Auf- und Abstieg), und aus der Gondel kann man vor allem Angkor Wat, aber auch das westliche Baray, Phnom Bakheng und mit gutem Willen oder guten Augen den Bayon erkennen. Aus der Gondel des Ballons bekommt man mit einer Standard-35mm-Brennweite Angkor Wat gerade eben komplett ins Bild - ob der Standort des Ballons mit Absicht so gewählt wurde, weiß ich aber nicht.
Den Rest des Tages habe ich dann in Angkor Wat verbracht und den Sonnenuntergang auf der Bibliotheksterasse abgewartet.
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